Mit weltweit 1.060.627.980 Nutzern (stand 13.06.2013) [1] stellt Facebook das größte virtuelle Netzwerk weltweit dar. In Deutschland ist es nach Google die am häufigsten besuchte Website.[2] Die Möglichkeit sich zu vernetzen und auch über weite Distanzen Kontakt zu halten wird von vielen Nutzern geschätzt und wenn wir Facebook als Soziales Netzwerk verstehen und mit Pierre Bourdieus Augen betrachten, müssten Mitglieder bei Facebook einen großen Vorteil gegenüber ihren nicht-virtuellen Netzwerkern haben: Soziales Kapital.
„Das Sozialkapital ist die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind.“[3]
Es werden also alle Kontakte und Beziehungen in ihrer Summe und die sich daraus ergebenen Möglichkeiten als Sozialkapital bezeichnet. Sozialkapitalbeziehungen können in der Praxis laut Bourdieu nur auf der Grundlage von materiellen oder symbolischen Tauschbeziehungen existieren. Das heißt sie müssen gepflegt und mithilfe von Geschenken oder regelmäßigem Austausch symbolischer Art (z.B. Gesprächen, Kontaktaufnahme) am Leben erhalten werden, die bloße soziale oder geografische Nähe genügt nicht. (vgl.: Bourdieu, S. 7)
Bourdieu schreibt, dass der Umfang des Sozialkapitals in Abhängigkeit zu der Ausdehnung des Netzes von Beziehungen, der Möglichkeit diese Beziehungen tatsächlich mobilisieren zu können und zu dem Umfang des Kapitals (ökonomisch, kulturell oder sozial) der einzelnen Personen innerhalb des Netzes sei. Gegenseitiges Kennen und Anerkennen ist zugleich Voraussetzung und Ergebnis dieses Austausches. Bei der Beziehungsarbeit wird Zeit und Geld und damit, direkt oder indirekt, auch ökonomisches Kapital verausgabt. (vgl. Bourdieu, S.8.) Diejenigen, die eh schon über ein sehr hohes Sozialkapital verfügen und beispielsweise durch einen bekannten Familiennamen besonders gefragt sind, haben nach Bourdieu den größten „Ertrag“ aus Beziehungsarbeit. Ein kurzfristiger Nutzen aus Beziehungen kann nur dann gezogen werden, wenn im Vorfeld viel Zeit in die Beziehungsarbeit investiert wurde. Soziales Kapital setzt also ökonomisches Kapital voraus – denn Zeit ist Geld. „Entsprechend dem Satz von der Erhaltung der Energie gilt das Prinzip, daß Gewinne auf einem Gebiet notwendigerweise mit Kosten auf einem anderen Gebiet bezahlt werden“ (Bourdieu, S.10)
Übertragen wir diese Überlegungen nun auf das online Netzwerk Facebook, so stellen sich folgende Fragen: Trägt die zunehmende Nutzung des Internets und damit auch die vermehrte Aktivität in social networks auch zur Steigerung des Sozialkapitals in Netzwerken bei? Und wie stehen sich eine wachsende Zahl von losen Kontakten und die Bildung von mehr Sozialkapital gegenüber?
Will man beschreiben, wie sich Sozialkapital zu Netzwerken verhält, müssen besonders zwei Aspekte Beachtung finden. Zum einen geht es um die Heterogenität bzw. Homogenität des Netzwerks an sich. Die Frage wie stark die einzelnen Netzwerkmitglieder sich innerhalb des Netzwerks voneinander unterscheiden hat Einfluss auf die Intensivität der Beziehungen und das Kommunikationsverhalten. Netzwerke, in denen Individuen sich aufgrund gleicher Interessen, enger Beziehungen oder sonstiger charakteristischer Verbindungsmerkmale zusammengefunden haben, zeichnen sich häufig durch eine starke Kommunikation und Interaktion der Individuen untereinander aus. Die so genannten ties, also die Übereinstimmungen zwischen den Individuen, sind dabei relativ stark ausgeprägt. Es kommt hier häufiger, als andernorts zur Transformation von Hilfe- und Austauschleistungen (Granovetter, S. 1366). Diese Erkenntnis macht sich Facebook zu nutzen, in dem die User Mitglieder unterschiedlicher Gruppen sein können. Die Vielzahl der Kontakte wird so kategorisiert und der „Mehrwert“ dieser Beziehungen dadurch optimiert.
Steigt die Anzahl der Mitglieder in Sozialen Netzwerken, so nimmt automatisch der Grad der Heterogenität zu, da von einer höheren Diversität der Mitglieder bei einer größeren Zahl von Individuen auszugehen ist. In der Summe bedeutet das, dass zwar mehr und unterschiedliche Hilfeleistungen zur Verfügung stehen, sie aber aufgrund der schwächeren Beziehung schwerer zu akquirieren sind (Granovetter, S. 1378).
Das Medium Internet vollzieht eine stetige Weiterentwicklung, die sowohl durch die technischen Innovationen als auch durch neuartige Inhalte und Partizipationsangebote von Websites und Anbietern vorangetrieben werden. Immer mehr Menschen nutzen regelmäßig das Internet, auch die durchschnittliche Nutzungsdauer hat beträchtlich zugenommen.[4] Gerade onlinebasierte Netzwerkangebote wie Facebook, dessen aktive Mitgliedschaft Zeit und Aufwand bedeutet, profitieren generell von dieser Entwicklung. Was bedeutet die zunehmende Nutzung des Internets für das Sozialkapital in sozialen Netzwerken?
Einerseits wird das Sozialkapital von den physischen Real-Netzwerken bei Nutzung des Internets in die virtuelle Sphäre transferiert. Während bisher Kommunikation durch Briefverkehr und Telefonverbindung stattfand, so bieten nun die neuen Kommunikationsformen des Internets zusätzliche Möglichkeiten. Das schon bisher vorhandene Sozialkapital wird dann lediglich auch über das neue Medium Internet weiter gepflegt. (Quan-Haase/ Wellmann, S. 3ff.)
Eine andere Annahme ist, dass durch die Nutzung des Internets und social networks zusätzliches Sozialkapital produziert wird, vorausgesetzt die schon bestehenden Netzwerke bleiben bestehen und die neuen Kommunikationsformen ermöglichen eine noch intensivere Interaktion in noch größeren Netzwerken (vgl.: Quan-Haase/ Wellmann, S.7). Facebook-Nutzer sind also wesentlich reicher als ich, aber zum Glück ist Geld ja nicht alles.
Quellen
Bourdieu, Pierre (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Reinhard Kreckel (HG): Soziale Ungleichheiten. Göttingen: S. 183-198. Online verfügbar unter: http://unirot.blogsport.de/images/bourdieukapital.pdf (27.02.2014).
Granovetter, Mark (1973): The Strength of Weak Ties. Erschienen in: The American Journal of Sociology 78. Chicago: University of Chicago Press.
Haug, Sonja (1997): Soziales Kapital. Ein kritischer Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Mannheim: MZES. Online verfügbar unter: http://www.mzes.uni-mannheim.de/publications/wp/wp2-15.pdf
Quan-Haase, Anabel/ Wellman, Barry (2002): How does the Internet affect Social Capital? Online abrufbar unter: http://homes.chass.utoronto.ca/~wellman/publications/internetsocialcapital/Net_SC-09.PDF (28.02.2014)
http://www.alexa.com/topsites/countries/DE
http://allfacebook.de/userdata/
http://ard-zdf-onlinestudie.de/
[1] http://allfacebook.de/userdata/ (11.02.2014).
[2] h. ttp://www.alexa.com/topsites/countries/DE (11.02.14).
[3] Bourdieu, S. 6.